Transnistrien oder das Problem bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse

Die Förderungsfähigkeit im BAföG hängt von verschiedenen Kriterien ab. Ein grundsätzliches ist, ob vor dem aktuellen Studium bereits ein anderes, berufsqualifizierendes Studium erfolgreich abgeschlossen wurde.

Diese Frage mag innerhalb Deutschlands einfach zu beantworten zu sein, jedoch wird es komplizierter, wenn schon ein Studium im Ausland abgeschlossen wurde und sich dann der Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlagert hat.
Für gewöhnlich muss dann geprüft werden, ob dieser Abschluss auch in Deutschland berufsqualifizierend ist, ob er also einem deutschen Abschluss geichgesetzt und damit anerkannt ist und entsprechend im beruflichen Leben genutzt werden kann. Dies entscheidet, ob das neue Studium dann ein nach dem BAföG förderungsfähiges Erst- oder ein nicht förderungsfähiges Zweitstudium darstellt. Geregelt ist das in der Verwaltungsvorschrift Tz 7.1.15. 

Für gewöhnlich können sich die Auszubildenden an die ZAB (Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen) wenden oder die Bezirksregierung, um ihren Abschluss bewerten und anerkennen zu lassen. Auf diese Entscheidung bezieht sich dann das Bafögamt im Rahmen der Beantragung.
Eine andere Referenz stellt anabin dar, das Infoportal zu ausländischen Bildungsabschlüssen der Kultusministerkonferenz KMK. 

Kompliziert wird es dann, wenn der Abschluss oder die Hochschule nicht gefunden wird, weil sie noch nicht erfasst wurden. Oder wenn man aus Transnistrien kommt und an der Universität in Tiraspol ein Diplom erworben hat. Plötzlich sehen sich weder ZAB noch Bezirksregierung in der Lage, eine Aussage zu tätigen, auf anabin wird auf die politische Situation verwiesen.

Aber mal ganz von vorne:
Eine junge Studentin kam zu uns in die Beratung. Sie erzählte, dass sie bereits im Ausland studiert habe und ihr Abschluss nicht anerkannt sei. Sie muss nun aber auf eine Bestätigung der Behörden warten und das könne bis zu einem Jahr dauern, aber solange bekomme sie kein BAföG und ist nicht finanziert. Sie müsse jetzt schnell in die Vorlesung, käme aber gleich nochmal vorbei. Schon auf dem Weg nach draußen fragte ich sie noch schnell:“In welchem Land hast du deinen Abschluss denn gemacht?“ Sie antwortete:“In Transnistrien!“ und war dann auch schon zur Tür raus.

Ich setzte mich also an den PC und suchte: Wo liegt Transnistrien?

„Transnistrien […] ist ein international nicht anerkanntes, ausschließlich von Russland gestütztes De-facto-Regime in Osteuropa. Das hauptsächlich östlich des Flusses Dnister an der moldauisch-ukrainischen Grenze gelegene Gebiet wird international als Bestandteil der Republik Moldau angesehen und wird von rund 375.000 Menschen bewohnt.“
[so der deutsche Wikipedia-Eintrag zu Transnistrien]

Ein „Ach du Scheiße!“ kam von hinten aus dem Raum. Was ist also das Problem?

Transnistrien hat sich 1990 von Moldau unabhängig erklärt. Nach dem fehlgeschlagenen Putschversuch in der Sowjetunion 1991 erklärte sich Transnistrien wie so manche Teilrepubliken für komplett unabhängig. Der Konflikt wurde 1992 militärisch ausgefochten und Moldau verlor die Kontrolle über die Region. Jedoch wird der Staat Transnistrien nur von den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft nichtanerkannter Staaten anerkannt.
Deutschland erkennt folglich Transnistrien nicht an.

Ich überlegte laut:“Wenn es nur von Russland anerkannt ist und international nicht, und dann der deutsche Staat dann einen Abschluss aus Transnistrien anerkennen würde, würde er diesem De-facto-Regime Legitimität verleihen. Das würde zu internationalem Aufschrei führen. Dieser Abschluss wird niemals in Deutschland anerkannt werden, das geht politisch schon nicht.“

Um nun einen transnistrischen Hochschulabschluss in Deutschland doch noch anerkannt zu bekommen, muss nach Gesetz der Republik Moldau von 2004 dieser Abschluss durch das Bildungsministerium Moldaus anerkannt werden, um dann erst wiederum von deutschen Behörden geprüft werden zu können. Das funktioniert faktisch jedoch nicht oder nicht in einem zumutbaren Rahmen, da das Ministerium in Moldau keine Motivation hat, diese Abschlüsse zu prüfen; folglich muss oft und hartnäckig nachgehakt und mit sehr langen Bearbeitungszeiten gerechnet werden. Und für im Ausland lebende Personen ist die Motivation, eine Anerkennung durchzuführen, noch einmal geringer.

Mein Kollege fragte: “Kann man die Anerkennung umgehen, wenn es so offensichtlich ist?“

Ich durchsuchte die Vorschriften und tatsächlich, in Ausnahmefällen in denen eine Anerkennung absolut unwahrscheinlich ist, kann der Amtsleiter das BAföG unter Vorbehalt bewilligen!

Ich wählte die Nummer des Amtsleiters und sagte ihm:“Wir haben hier einen politisch heiklen Fall aus Transnistrien!“

„… Von wo her?“

„Trans-nis-tri-en! Ich musste auch erstmal auf eine Karte gucken.“

Statt nun also mit der Bearbeitung des Bafögantrags auf ein Dokument zu warten, was nicht ausgestellt werden wird, musste hier eine Einzelfallentscheidung gefällt werden. Ich erläuterte ihm also den Fall und nachdem er selbst recherchiert hatte, kam er zu dem Schluss, dass die Studentin erstmal BAföG erhalten kann, weil eine Anerkennung des Abschlusses unter Umständen zu politischen Unruhen in der EU führen könnte.

Wer also bereits einen ausländischen Bildungsabschluss hat, sollte sich möglichst früh um die Bescheinigung der Anerkennung bzw. Nichtanerkennung kümmern, damit es nicht zu langen Wartezeiten kommt, während der dann natürlich das BAföG nicht ausgezahlt werden kann.
Und im Zweifel hilft auch immer ein persönliches Beratungsgespräch.

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